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Ulbert Unterzelt

Begonnen von mondman, 10. September 2007, 17:07:54

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mondman

Es trug sich zu in einer Sommernacht - und als lau konnte sie keiner bezeichnen, der auch nur seine Nasenspitze zur Tür hinaus streckte - dass ein wackerer Holzknecht schutz vor dem prasselnden Regen suchte. Viele Unwetter hatte er schon ohne Mühen über sich ergehen lassen und unter größter Anstrengung immer genügend Holzscheite für ein kleines Feuerchen in sein Zuhause geschleppt, doch bei diesem Regenguss suchte sogar er einen trockenen Platz.
Es mochte zufall gewesen sein, oder die Viere sogar hatten in dieser Nacht erbarmen mit ihm, dass er unter einer strammen Eiche ein Zelt fand. Da der Regen so stark war, dass er sogar das dichte Blätterdach des Baumes durchdrang, hackte er schwungvoll seine Axt in den Holzstamm und eilte in das Zelt. Vor Erschöpfung brach er noch am Eingang des Zeltes zusammen, sodass seine Füße die herausragenden Wurzeln der Eiche noch berührten.

Geschrei, so laut wie er es noch nie gehört hatte, weckte ihn unsanft. Verwirrt blickte der Holzknecht um sich und traute seinen eigenen Augen nicht, als er auf einem kleinen Haufen Reisig ein noch viel kleineres Kindchen entdeckte, dass sich seine noch so junge Seele aus dem winzigen Körper zu plärren versuchte. Der kräftige Mann richtete sich auf, musste seinen Rücken aber sofort wieder krümmen als er bemerkte, dass er sich noch immer in diesem Zelt befand. Große, kullernde Augen blickten ihn an, als er sich neben das Neugeborene kniete und das gellende Geschrei fand sekündlich ein Ende. Als sich ihre Blicke trafen, die beide so ähnlich Braun waren, wie frisch geschlagenes Holz, fühlte der Holzfäller - wie er später zu Freunden meinte - einen Wink des Schicksals. Eine Verbindung zwischen diesen, im Alter weit entfernten, doch im Geiste so nahen Personen wurde geschlossen, die nicht einmal die am schärfsten geschliffene Axt in ganz Drakovia hätte trennen können.
Er wusste nicht warum, doch er wusste, dass er es tun musste. Es war seine Bestimmung! Er verließ das Zelt und griff zu seiner bewährten Axt, die noch an genau demselben Platz steckte, an dem er sie am Vortag zurückgelassen hatte, nahm das durchnässte Zelt in seine Linke und mit der Rechten holte er zum Schlag aus. Ein sauberer Schnitt teilte ein handliches Stück Laken vom Rest des Zeltes. Nachdem er die Axt beiseite gelegt hatte wand er das Leinen noch mit einem Dreh aus, und nahm das Kindlein vorsichtig in seine groben Hände. Nicht den kleinsten Mucks machte das Kleinkind, denn es wusste, das ihm in diesen großen Händen nie ein Unrecht geschehen könnte. Kurz zappelte das Baby, als der Holzknecht es in das noch feuchte Tuch legte und zudeckte, doch kein Ton des Unbehagens kam über die so kleinen Lippen.

ZACK! - und wieder war ein Scheit gespalten. Der kräftige Mann, an dem der Bart sprieste, wie die Blumen auf einer prächtigen Sommeralm, nam sich sofort den nächsten Holzstapel vor. Das Rauschen eines nicht allzu entfernten Bächleins war zu hören, doch es wird je von einem Rufen übertönt:
"Uli! Uli! Uliii!!!"
Der Mann mit der Axt hält im Schwung inne:
"Joo, wos isn jeza schöwieda?"
"Kumm schnell, im Vota gehts gor überhaupt net guat!"
Entgeistert lässt der Arbeitende die Axt fallen. Mit einem Satz wetzt er los, so geschwind, wie er in seinem gesamten Leben noch nie war, vorbei an dem Mädchen das ihn gerufen hat. Die Tür springt aus dem Schloss und der Bursch stürzt sogleich ins nächste Zimmer.
"Vota, Vota, wos isn los?"
*heiseres Husten und Keuchen* "Jo Bua, es geht zu End' mit mir." *schweres Atmen*
"Oba geh! Des is doch nur de Verkühlung vom leztn Joar, des wird scho wieda. Wirst sehn, in zwa Wochn bist wieder auf die Beine und dann gemma wieder in Wald."
"Na na Bua. I was scho wann mi des Schicksal ruaft. Des hob i scho bei dir ghert und jetzt is a ähnlicher Ruaf, nur vüh, vüh trauriger." *starkes Husten* "Was't, als i di da so liegn gsehn hob, unterm Zelt, auf de poa Zweigerln, da hob i's einfach gwusst das't zu mir gherst. Mei Ulbert, so a großer, starker Mann wie er jetzt scho is."
Zitternd greift der vom Alter mitgerissene Holzknecht zur Seite seines Bettes. Nur mühsam zieht er die Lade des Nachtkästchens auf, das er selbst gefertigt hat, und holt einen verschlissenen, alten Lumpen hervor. Ein letztes Mal klärt er seine Stimme:
"Vühle Joar hat des scho am Buckl, zwor net so vühl wie i oba so vühl wie du alle mal. Darin hab i di reintragn da, so lang is des scho wieder her."
Zitternd drückt der alte Mann dem jüngeren den Stoff in die Hand und drückt sie nochmals.
"Geh' jetzt, Bua. Geh'."

Ohne sich auch nur ein einziges Mal umzudrehen geht Ulbert zur Tür hinaus. Auf seinem Weg fort von der Hütte packt er seine Axt, schultert sie und macht sich auf den Weg. Hinaus ins ungewisse.