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Die Flammen der Amanadra

Begonnen von Ylenavei, 20. August 2009, 13:07:35

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Ylenavei

Dunkelheit lag über der Hütte in den nördlichen Fjorden, und ein lauer Wind wehte vom Meer herüber. Tausend helle Sterne funkelten vom schwarzen Samthimmel auf die friedlichen Wälder von Yew hinab. Erstmals nach sehr langer Zeit war die Nacht nicht mehr beängstigend, sondern lud zu Ruhe und Erholung ein. Ylenavei saß auf dem Dach ihres Heims und sah nach Süden, in Richtung des blauen Scheins, der dort hoch über dem Kern der Siedlung Yew erglühte. Die Flammen der Amanadra, das blaue Feuer der Baumfeen leuchtete hoch drüben auf dem Quellhügel, und in seinem Licht lagen Frieden und Hoffnung. Die junge Druidin betrachtete das Leuchten, und tiefe Dankbarkeit erfüllte ihre Seele.

'Fährst im wilden Sturm daher,
Bist du selbst uns Hort und Wehr,
Du, allmächtig Waltende, Rettende...

Die alten Verse der Amanadra, der Baumfeen, hallten in ihrem Geiste wieder. Ein wahrlich wilder Sturm hatte ihres und die Herzen ihrer Geschwister in den vergangenen Monden heimgesucht. Den gesamten Frühling hatte Ylenavei im Haus der Heilung verbracht, in dem mühseligen Bestreben, die schweren Folgen ihrer Gefangenschaft in Wind gänzlich zu überwinden. Nun war sie daheim, saß unter dem Sternenhimmel, und ihr Körper schien nahezu gänzlich genesen zu sein.

Doch an jenem Tag, an welchem die junge Waldelfe auf eigenen Füßen das Haus der Heilung endgültig verlassen hatte, hatte sie sofort gespürt, dass der Schrecken nach wie vor in ihrer aller Seelen weilte. Die unfassbare Grausamkeit der Drow hatte die Geschwister zutiefst erschreckt, und nicht einmal die sonst so wackere Gildin hatte ihren Anblick lange ertragen. Und nachdem die Zeit endlich begonnen hatte, das Grauen zu lindern, hatte der Verlust Selanas an den Einen Dunklen den zarten Keim der Hoffnung jäh zunichte gemacht.

Es war still geworden in Yew, und eine vage Furcht hatte über den Wäldern gehangen wie ein verhängnisvoller Schleier. Es war mehr als an der Zeit gewesen, den Geschwistern neuen Mut zu geben.

[...]

Der laue Wind strich durch Ylenaveis wasserblaue Robe und ließ sie gleich klaren Wasserströmen wallen. Lange hatte sie gezögert, gefangen in ihrer eigenen Angst, das Gewand der Quelle anzulegen und den Quellhügel zu besteigen, um jenen Segen zu erbitten, welcher den Geschwistern ihre Hoffnung zurückgeben mochte. Viele der langen Stunden im Haus der Heilung hatte die junge Druidin damit verbracht, sich die Verse und Anweisungen jenes alten Rituals, das Galasha und Laryndiira von den Meer erhalten hatten, bis zur letzten Silbe genauestens einzuprägen.

Heute war es dann endlich soweit gewesen. Es hatte keinen weiteren Aufschub mehr geben dürfen. Ylenavei hatte mit der Unrast in ihrer Seele gerungen, während sie auf dem Quellhügel auf die Bur'Yewsai'i gewartet hatte. Brennan und Selion waren bald erschienen. Der Patrouillenführer wagte seit dem Unglücksabend nicht mehr, seiner Ersten Druidin und Stimme ins Gesicht zu sehen. Dabei war er unschuldig an all dem Leid, wusste Ylenavei. Niemand hätte es verhindern können.

Ihr Herz tat einen Sprung, als Eyela die Plattform mit dem Quellbecken betrat. Es schmerzte die junge Druidin, wenn sie an die Verzweiflung in den Augen ihres Lehrmädchens in jenen langen Tagen im Haus der Heilung zurückdachte, während welcher Eyela sie mit aller Tapferkeit und Hingabe gepflegt hatte. Nun mochte sie endlich entlohnt werden und angesichts des Wunders der Flammen von Amanadra ihre Zuversicht zurückgewinnen. Ebenso mochte das unruhige Zagen aus Gildins Augen verschwinden. Die Alchemistin war soeben auf dem Hügel eingetroffen, bis an die Zähne bewaffnet und gegen alles Greifbare gewappnet, was von irgendwoher auf sie eindringen mochte.

Es war an der Zeit, dass sich die Geschwister im Herzen ihrer Heimat wieder sicher fühlen sollten. Dies wurde Ylenavei mehr und mehr bewusst, während sie die einleitenden Worte sprach und in die Runde sah, die angesichts der wahren Zahl der eingeschworenen Bur'Yewsai'i verschwindend klein erschien. Doch so Wenige sich auch eingefunden hatten, ihre Bereitschaft und Entschlossenheit, an der Beschwörung der Flammen der Amanadra teilzuhaben, war um so größer.

Als sie sich alle an den Händen fassten und die heilige Quelle mit den alten Versen der Amanadra priesen, fanden die Ströme des Lebens mit Leichtigkeit ihren Weg in und durch ihre Herzen, und bald war ihre Runde gänzlich von kreisender, pulsierender Lebenskraft erfüllt. Die Liedverse gewannen an tiefer Innigkeit, als Ylenavei in den Kreis trat und die Kraft eines jeden Anwesenden in ihrem blauschimmernden Dolch einte.

'Heilige Quelle, höre deine Kinder, die sich an dich wenden in ihrer Not! Segne uns mit deiner Macht, auf dass die Flammen der Amanadra in unseren Wäldern lodern und die Schatten des Dunklen aus ihnen vertreiben mögen!'

Alle Augen ruhten voll gespannter Erwartung auf ihr, als die junge Druidin den vor gesammelter Lebenskraft glühenden Dolch emporgehoben und die heilige Quelle um ihren so sehr ersehnten Segen gebeten hatten. Dies war der Augenblick, in dem sich entschied, ob ihre Kraft ausreichte, ob genügend Vetrauen überlebt hatte, um Yew die Hoffnung zurückzubringen. Während sie gemeinsam einen weiteren Liedvers anstimmten und der glühende Dolch langsam dem Wasserbecken entgegensank, flehte Ylenavei mit jedem Gedanken, dass die Quelle sich ihren leidgeprüften Geschwistern gnädig erweisen möge. Jede Faser ihrer Sinne verspürte, wie sich die Hoffnungen der Umstehenden auf das Glühen in ihren Händen konzentrierten.

...Aus dem grauen Luftgebilde
Tritt die Sonne klar und milde...

Es war der jungen Druidin, als würde mit diesen Versen wahrlich Helligkeit über sie kommen, während eine leichte Windböe den wasserblauen Stoff um ihren Leib wallen ließ. Als der Hymnus an die Quelle seinen Höhepunkt erreichte, durchfuhr es sie gleich einem Blitz, und mit einem Fauchen ging die Klinge des Dolchs in ihren Händen in strahlend blaue Flammen auf. Mit einem schweren Atemzug hob Ylenavei den Dolch empor, und die staunenden, von tiefer Ehrfurcht erfüllten Blicke der Umstehenden rührten ihr Herz.

"Seht die Flammen der Amanadra und vereint eure Herzen, um ihnen Kraft zu geben!"

Nach diesem Ausruf ward der vierte der alten Verse zu einem mächtigen Lobgesang voller Freude und Zuversicht, unter dessen Klang die Erste Druidin Yews den hoch erhobenen brennenden Dolch dem wartenden Feuerkessel am Rand der Plattform entgegentrug. Mit dem ergreifenden Ende des Lobeshymnus' senkte sie die Klinge in den Feuerkessel hinab, und sofort geriet das Holz darin fauchend und prasselnd in Brand.

"Schaut die Flammen der Amanadra. Kein wind vermag sie zu löschen, kein Wasser sie zu ersticken. Nehmt die Flammen und tragt sie hinaus zu jenen, die dort fernab unseres Kreises in Düsternis Wache stehen, und bringt ihnen Hoffnung. Sagt ihnen, dass sie die Flammen von Amanadra schauen und sich daran erinnern sollen, dass sie von nun an vor der Magie des Dunklen beschirmt werden, so lange diese Flammen brennen!"

Die Gesichter Brennans und Selions waren von Staunen und Freude erfüllt, als sie Fackeln an den blauen Flammen der Amanadra entzündeten und eilends von dannen zogen, um das Licht zu den Außenposten an den Grenzen Yews hinauszutragen. Auch Eyela schien den Blick nicht mehr von dem Leuchtfeuer auf der Plattform wenden zu wollen, und Gildin wirkte von Neugier und Tatendrang beseelt.

"Und auch ihr, Geschwister, gehet nun hin und labet Euch an dem Segen, den die heilige Quelle uns in ihrer Großmut gewährt hat. Verbreitet die frohe Kunde unter jenen, die noch zagen mögen und erfreuet Euch gemeinsam an neuer Hoffnung. Mögen die Bäume Eure Wege stets behüten."

Ylenavei fühlte sich von inniger Freude erfüllt, als sie die Geschwister mit diesen Worten aus der Steife des Rituals entließ. Sofort begann Gildin, mit den geheimnisvollen blauen Flammen zu experimentieren, um sie für ihre Braukunst nutzbar zu machen, und die junge Eyela eilte euphorisch den Hügel hinab, wohl, um den Geschwistern im Dorf von dem Wunder zu berichten, an welchem sie soeben hatte teilhaben dürfen...

[...]

Die junge Druidin auf dem Hüttendach blinzelte. Innige Freude und tiefe Erleichterung hatten ihre Augen feucht und das blaue Leuchten auf dem fernen Hügel verschwommen werden lassen. Sie spürte, wie die Hoffnung und Zuversicht ihrer Geschwister die tiefen Wunden in ihrer eigenen Seele linderte. In Frieden und Sicherheit würde sie ihre Kräfte vollends sammeln können. Es war nun an der Zeit, zu ruhen.


Fiona

#1
Die letzten Wochen vor den Flammen der Amanadra


Unsicher und mit weichen Knien betrat Eyela das Heilerhaus. Es war weitaus größer als die anderen Häuser, da der vordere Teil auch als Intensiv-Krankenzimmer diente. Bisher war Eyela nur einmal dort gewesen und das war, als sie selber schwer verletzt gewesen war. Hatte sie doch bei ihrer Entscheidung, Druidin zu werden, nicht gewusst, was sie alles erwarten würde, und auch nicht, auf was sie sich dort einlassen würde. Doch sie wollte diesen Weg beschreiten. Diesmal war es nun anders. Sorgenvoll sah sie ihre Meisterin Ylenavei dort liegen. In ihrem Gesicht war deutlich Schmerz zu sehen. Mit einem kurzen Nicken betrat Eyela nun täglich das Heilerhaus, um mit dem Heiler Henyai die tägliche Krankenpflege zu verrichten. War diese doch zu einem Teil ihrer Prüfung geworden. Durch diese Art Prüfung fiel ihr der Entschluss, Druidin zu werden noch leichter, auch wenn sie der Anblick der Verletzungen Ylenaveis quälte und sie seelisch fast daran zerbrach.

Doch schon bald merkte sie, dass sie schon durch tröstende Berührungen vieles bewirken konnte. Nach einigen Tagen fand sie sogar den Mut, selbst die lindernden Salben zu verstreichen und Binden zu wickeln, während Henyai ihr dabei assistierte. Das schmerzverzehrte Stöhnen ihrer Meisterin während der Behandlungen ließ Eyela oft innehalten und entsetzt schlucken. Es tat ihr in der Seele weh und sie begann nervös zu werden, und ihre Hände begannen bei der Behandlung zu zittern. Sie spürte den Blick Henyais, der das alles überwachte was sie dort tat, und das machte Eyela noch mehr nervös, sodass sie fast nicht mehr in der Lage war, die nötige Konzentration aufzubringen, um mit ihrer Arbeit die gewünschte heilende Wirkung zu erzielen.

"Sieh mich an", sagte Henyai.

Erstaunt über den plötzlichen Wandel seiner Stimme sah Eyela zu Henyai auf. In seinen Augen war keine Härte zu sehen, sondern Güte und Verständnis.

,,Es nützt niemandem, wenn du nervös bist. Schliesse deine Augen", wies er sie an. Dann, während Eyela der Aufforderung nachkam, fuhr er ruhig fort. ,,Fühlst du die Ströme unter deinen Füßen? Du kennst die Stärke der Quelle und ihrer Kinder! Jedes Mal, wenn du die Kräfte brauchst, gibt sie sie freiwillig, ohne Bedingung und ohne Groll."

Eyela nickte.

,,Sie vertraut darauf, dass du die gegebene Kraft weise einsetzt, dass du heilst, und dass du das Leben ehrst, selbst wenn du mit der geschenkten Kraft töten müsstest."

Eyela nickte, dieses Mal aber etwas zögerlich.

,,Dann vertraue der Quelle ebenfalls. Sie wird dich nicht im Stich lassen, wenn du sie brauchst. Was spürst du nun?", fragte er sie.

Plötzlich fühlte die junge Druidin eine warme Hand auf ihrer Schulter, und die gefühlte Kraft wurde zu einem unbändigen Strom, der stetig in ihrem Geist und Körper floss, und ohne dass sie etwas dazu tun musste , schien ihre Meisterin Ylenavei sich unter ihren sanften Berührungen etwas zu entspannen. Dann verstummte die Kraft. Als sie die Augen öffnete, sah sie erstaunt zu Henyai auf.

Milde lächelte Henyai. ,,Was du dort grad gespürt hast, war nur ein Bruchteil der Macht, die die Quelle dir schenken kann. Doch sie gibt dir nicht nur die Kraft, sondern auch das Wissen, wie du sie anwenden musst. Du wirst deiner Meisterin Ylenavei gut zuhören müssen, wenn sie wieder genesen ist! Noch bist du nicht berreit dafür, höhere Heilkunst zu bewirken. Es warten noch viele Prüfungen auf dich. Doch irgendwann wirst du bereit sein, und dann erinnere dich an diese Augenblicke. Lausche auf die Stimme Ylenaveis und du wirst alles lernen,was du wissen musst", sagte er. ,,Und nun gehe nach Hause, denn die nächsten Prüfungen warten schon auf dich."

Mit den Worten ,,Viel Glück, junge Druidin", schickte er sie heim. So vergingen anstrengende und entbehrungsreiche Wochen, bis ihre Meisterin Ylenavei  endlich vollständig genesen war. Eyela war sehr erschöpft, doch versuchte sie dieses nach außen hin zu verbergen.....doch innen in ihrem Herzen sah es ganz anders aus....


Die Flammen der Amanadra

Eyela stand nun da, auf dem Quellhügel am Wasserbecken, und war in Gedanken versunken. Hatte sie doch keine Ahnung von dem, was gleich geschehen würde. Sie hielt inne und sprach zu sich:

Ich rufe Dich, mächtige Quelle!
Komm und reiche deine heilenden Ströme.
Erscheine sanft und vollkommen gerecht,
Um mit mir zu knüpfen ein heilendes Band.

Komme heraus aus den Strömen der Quelle
Auf das Du heilen wirst meine Pein
Du bist der Strom der kann erreichen
Dass ich wieder frei im Leben kann sein.

Nimm von mir die Seeligen Leiden,
Nimm von mir Missbehagen,
Erlöse mich von dem Schneiden,
Ich will mich nicht beklagen.

So komm bitte zu mir
Und nimm fort, worum ich ersuche
Erscheine im Strome hier und
vertreibe die, die mich verfluchen

Keine Schmerzen und kein Leid
Denn Du bist die Quelle rein.
Verflogen sollen sein die Schmerzen
Und alle Bitternis und Trübsal.
Lass leuchten die Herzen
Denn abgefallen ist die Qual.

Gnade und Freude im Leben
Denn der Tod gehört nicht zu Dir
All dies erbitte ich Dich, uns zu geben,
Denn darum stehen wir heut im Kreise hier.

'Ich bin bereit für Deine Kraft', sagte sie noch in Gedanken zu sich, als Ylenavei sie mit dem Beginn des Rituals dort hinausriss. Einen Moment lang fühlte sie sich mit dem Strom der Quelle verbunden. Aufmerksam lauschte sie den Worten Ylenaveis. Eyela erlebte ganz klar und bewusst die Zeit, in der Ylenavei die Handlung vollzog. Die Kraft und die Energie, die die Atmosphäre beherrschten, waren nun auf dem Höhepunkt des Rituals angekommen, als ihre Meisterin den Dolch über das Wasserbecken senkte und der Dolch in blauen Flammen erstrahlte. Die Geschwister neben sich an den Händen festhaltend öffnete sie nun ihre Augen und verfolgte  mit  Blicken den glühenden Dolch, den Ylenavei emporhob. Leicht den Atem anhaltend kniff sie ihre Augen mehrmals auf und zu, da sie es nicht wirklich fassen konnte, was da grad geschah.

Mit starrem Blick verfolgte die junge Druidin Eyela die Flammen der Amanadra und wie diese Flammen nun den Feuerkessel erhellten. Ihr Herz war nun mit Kraft, Liebe, Stärke und Zuversicht erfüllt. Sie bemerkte, dass die Energie des Stromes und des Rituals langsam wieder abklang und sie nur noch das Bedürfnis verspürte, ihre Fackel in den blauen Flammen zu entzünden, um damit ins Dorf zu rennen und das Wunder zu verbreiten. Wollte sie dieses Ereignis doch mit ihren Geschwistern Yews teilen. Danach ließ sich Eyela zuhause auf ihrer Bank nieder und versank in Gedanken. War dieses Erlebnis für sie doch die Verbindung zur heiligen Quelle...
Amicus certus in re incerta cernitur